Eton Alive
Neues (eigenes) Label, under new (no) Management, nachdem man sich von Rough Trade und dem bisherigen Mentor getrennt hat. Gleich vorweg: Die beiden haben wieder keinen Scheiß abgeliefert. Die einen wird das freuen, die anderen werden mit dem Phänomen SLEAFORD MODS weiterhin nichts anfangen können.
Letztere können mir gerne den Schuh oder den Blinddarm aufblasen, der Rest wippt und nickt mit mir längst im Takt. Der Titel ist ein cleveres Wortspiel, das einen Film von Tobe Hooper aus dem Jahr 1977 mit der Kaderschmiede der englischen Führungsriege in einen Mixer wirft.
Die von Eton-Absolventen geschaffene Realität der englischen Gesellschaft ist ein Füllhorn für das, was durch ein Mikrofon kanalisiert werden kann, ein Selbstläufer, den jeder versteht, der sich auf der Insel auch nur einen Fingerbreit darum bemüht, selber zu denken.
Zur Musik: Die minimalistischen Beats von Andrew Fern haben sich beim ersten Hinhören kaum verändert, werden aber durch Untertöne und Störgeräusche angereichert, ebenso gibt es bei den Vocals und Rants von Jason kleine, aber feine Veränderungen, die manchen irritieren dürften.
Die Schritte der Weiterentwicklung sind klein, aber erkennbar, und wer sich die bisher erschienenen Platten der Reihe nach anhört, wird eine Kontinuität feststellen, die keineswegs darin besteht, sich ständig selber 1:1 zu reproduzieren.
Selbstverständlich bekommt jeder die Mods, die er kennt, aber er wird, ohne es zu merken, ein Stück weitergetragen, ob er nun will oder nicht. „When you come up to me“ ist schon sehr nah an „gesungen“ und der Song hat tatsächlich so etwas wie einen spürbaren Spannungsbogen, der sich in diesem kleinen, minimalistischen Rahmen bewegt, den die Sounds mittlerweile zulassen.
Wer genau hinhört, findet noch mehr Gesang, der die weiterhin punktgenau beobachteten Texte hervorragend ergänzt. Der musikalische Minimalismus, in dem sich die MODS auf ihrem sechsten gemeinsamen Album bewegen, erinnert mich einmal mehr (auf ihre eigene Weise) an die großartigen YOUNG MARBLE GIANTS, die in ihrem reduzierten Sounduniversum ebenfalls viel Spielraum für eigene Ergänzungen gelassen haben, die sich nur im eigenen Kopf abspielen, aber genau deswegen auch so zeitlos sind.
„Eton Alive“ ist ein paar kleine Schritte weiter als „English Tapas“, tatsächlich anders oder besser, aber mindestens auf Augenhöhe, jedenfalls so spannend und gut, dass man den Weg ohne Probleme weiterhin verfolgen möchte, denn ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar, und an Themen, über die sich Jason auskotzen will, wird es in diesem unseren Leben sicher nicht mangeln.
Besser, er packt das in Worte und Flüche als ungeübte Amateure ohne den richtigen Beat. Ich war dabei, bin dabei und werde weiterhin dabei bleiben: MODS!